Desaster, Katastrophe: Umschreibungen für die ersten zehn Minuten des letzten Spiels der deutschen Mannschaft bei der WM-Qualifikation in Polen gab es viele. 4:8 (1:4, 1:3, 2:1) endete die Partie, bei der die Damen von Bundestrainer Simon Brechbühler schon nach ein paar Minuten mit 0:4 zurücklagen. Einen aufrichtigen Deutungsversuch lieferte Laura Neumann: „Das war total verrückt. Schon am Morgen im Hotel beim Frühstück war es bereits wahnsinnig ruhig. Normalerweise wird sonst richtig laut geschnattert, heute starrten irgendwie alle in ihr Smartphone. Und genauso so schläfrig wie die Stimmung war, haben wir dann auch gespielt.“ Diagnose: Turnierblues.
Bestes Alter: 29 Jahre ist Katja Timmel. Aber die Verteidigerin ist schon soooo lange dabei, dass man sich fragen muss, was eher da war: Sie oder die Damen-Nationalmannschaft? Im hohen Floorballalter ist die Wahl-Schweizerin aber besser denn je. Wie unaufgeregt und effektiv die Defensivspezialisten in den vier Qualifikationsbegegnungen ihr Pensum abgespult hat, war schon beeindruckend. So beeindruckend, dass sie neben drei Schwedinnen und zwei Polinnen völlig verdient in das Allstar-Team des Turniers gewählt worden ist. Eine schöne Ehrung, die sie in dieser Form schon einmal bekommen hat. Wann das genau war, wusste sie nicht mehr. In jedem Fall sei es eine B-WM gewesen, meinte sie. Wir vermuten, irgendwann in den 1980er Jahren. Herzliche Gratulation, Katja, und bleib dem Team bis Mitte Dezember, also der WM-Endrunde, erhalten!

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Alain Brechbühler beim Stühle rücken (Foto: Elke Scholz)

 
Großes Stühlerücken: Normalerweise hat in der deutschen Wechselzone alles seine Ordnung. So stehen die Stühle jeweils in kleinen Fünferblöcken mit etwas Abstand nebeneinander. Also für alle drei Reihen, mit denen Brechbühler das Turnier durchspielen ließ, eine kleine Sitzgruppe. Ganz außen kommen dann noch einmal Extraplätze für die Ersatztorhüterin und zwischenzeitlich relaxende Spielerinnen. Anders am Sonntagnachmittag: Da fanden die Damen sieben, sieben und vier Stühle nebeneinander vor. Das Ergebnis: Nach jedem Wechsel ein wuseliges Durcheinander wie im kurz nach 10 Uhr morgens bei Primark. Die Trainer hatten ein Einsehen: In der ersten Drittelpause stellte Alain Brechbühler die gewohnte Sitzordnung wieder her. Sein Bruder Simon nach der Partie: „Die Spielerinnen müssen sich daran gewöhnen, dass sich Dinge ändern. Auf und neben dem Feld. Solche Veränderungen werden wir immer mal wieder vornehmen.“
Dickes Lob: In schwedischen Floorballmedien wird die deutsche Mannschaft als der beste Gegner der WM-Qualifikation gewürdigt. Verdient haben sich die Damen diese Einschätzung allen voran wegen ihrer forschen und alles andere als destruktiven Spielweise. Katja Timmel, und sie muss es wissen: „Die Spielweise der Nationalmannschaft hat sich stark weiterentwickelt. Wir wollen zeigen, dass wir zu den besten acht Teams zählen. Und das nicht durch Mauern, sondern indem wir mitspielen und uns auch nicht durch Gegner wie Schweden einschüchtern lassen.“
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Zysset und Brechbühler (Foto: Elke Scholz)

 
Viel Material: Noch mal zurück zum vermaledeiten ersten Drittel. Taktikauge Hans-Rudolf Zysset, der die Gegner analysiert und bei den deutschen Spielen oben auf der Tribüne sitzt und per Sprechfunk mit Simon Brechbühler verbunden ist, wusste nicht, ob er lachen oder weinen sollte. Weinen, wegen des durcheinanders in der Anfangsphase, oder lachen, weil er alles auf Video hat und so viele Fehler drauf sind, dass die nächsten Videoschulungen nicht viel Schnittarbeit bedürfen.