Mit Ferdinand Ondruschka und Leo Häfner werden zum anstehenden Nations Cup zwei Spieler für die A- Nationalmannschaft aufgeboten, die ihre Floorballausbildung im Kinder- und Jugendalter beim SC DHfK Leipzig genossen haben.

Anlässlich dessen haben wir uns mit beiden Spielern über ihre aktuelle sportliche Situation, ihre Vergangenheit und ihre Ziele für die kommende Zeit unterhalten.

Und nun zu Leo:

(1) Hey Leo, danke, dass du dir die Zeit hier für genommen hast.

Hi, danke euch, dass ihr darüber schreibt und die Möglichkeit, ein bisschen was zu erzählen.

 

(2) Du bist 21 Jahre alt und gehst jetzt in deine zweite Saison bei der DJK Holzbüttgen. In der letzten Spielzeit habt ihr lange um beide Titel mitgespielt, am Ende hat es in beiden Wettbewerben nicht ganz gereicht. Was ist dein persönliches Fazit zur Debütsaison bei dem Titelaspiranten aus Kaarst?

Nun ja. Du hast es bereits angesprochen, wir sind in beiden Wettbewerben relativ weit gekommen und hatten dabei jeweils gute und weniger gute Phasen. Im Pokal haben wir uns zu Anfang schwer getan, sind dann aber doch bis ins Final 4 gekommen und dort wiederum unglücklich gegen Schriesheim ausgeschieden. Das haben wir uns natürlich anders vorgestellt.

In der Liga haben wir eigentlich eine ganz gute Leistung abgeliefert, da hat in den Playoffs gegen Weißenfels einfach die nötige Konsequenz gefehlt. In entscheidenden Momenten haben wir selbst zu viele Chancen liegen gelassen, dem Gegner aber Gelegenheiten geschenkt – da geht es schneller als man denkt und ist ausgeschieden.

Aus meiner Sicht war es im Großen und Ganzen eine recht solide Saison, auch wenn die erhofften Erfolge letztendlich ausgeblieben sind. Für mich selbst war es schließlich die erste Saison in der Bundesliga, da war ich vorher auch gespannt, wie es laufen würde. Im Nachhinein binich mit mir persönlich eigentlich recht zufrieden, ich habe den Einstieg in die Liga gefunden, konnte schon ein paar Akzente setzen und bin jetzt gespannt auf die nächste Saison.

 

(3) Hast du abseits des Mannschaftserfolgs auch individuell schon Ziele für die nächste Saison oder lässt du es eher auf dich zukommen?

Der Mannschaftserfolg steht als Ziel natürlich im Vordergrund, wir wollen bis zum Ende um die Vergabe beider Titel mitspielen. Dementsprechend stellt sich natürlich die Frage, wie man am besten seinen Teil dazu beitragen kann. Im Vergleich zur letzten Saison wird für mich sicherlich entscheidend sein, mehr Verantwortung zu übernehmen, sowohl auf dem Feld als auch daneben. Ob das dann durch Tore ist, durch Vorlagen oder Dinge außerhalb des Feldes – durch all das kann und will ich dazubeitragen, dass das Team zu bestmöglichem Erfolg gelangt.

Abseits davon hängt es natürlich vom Saisonverlauf ab, was für das Team wie wichtig wird. Mit unserem neuen Trainer sind wir gerade in einer Entwicklungsphase, da werden die ersten Spiele sicherlich maßgeblich, um einzuschätzen, was die Mannschaft noch braucht, um erfolgreich zu sein.

 

(4) Vor dem Umzug nach NRW hast du zwei Jahre (2020-2022) beim Schweizer Top club SV Wiler- Ersigen in der U21 verbracht. Wie war das für dich, was hast du aus dieser Zeit vorrangig mitgenommen?

Diese Möglichkeit kam zeitlich wirklich gut gelegen, ein Jahr nach meiner ersten und in der Vorbereitungsphase auf meine zweite U19-WM diesen Schritt gehen zu können. Ich hatte die Ambition, den Sport so gut wie möglich zu leben und so viel wie möglich zu investieren, um mich weiterzuentwickeln. Das an einem Ort tun zu können, wo mehr oder minder alles darauf ausgelegt ist, in diesen semiprofessionellen Strukturen, hat mich natürlich deutlich vorangebracht. Mit mehr Trainings, einem höheren Trainingsniveau und dazu höherem Druck, Leistung zu bringen geht man natürlich nochmal einige Entwicklungsschritte. Auch sich in einer neuen Teamstruktur einfinden zu müssen, in der man eben kein Leistungsträger, sondern ein Teil des Mittelfeldes ist, hat mich sicherlich vorangebracht.

Abseits dessen habe ich natürlich floorballerisch einfach sehr viel gelernt. Die Art, Floorball zu spielen ist etwas anders in der Schweiz als in Deutschland – sehr schnell, sehr physisch. Daraus habe ich sehrviel mitnehmen können, sowohl bzgl. meiner Einstellung als auch hinsichtlich Skills, Technik und Taktik.

 

(5) Inwiefern haben sich bei Wiler-Ersigen die Möglichkeiten, auch individuell an sich zu arbeiten, von den Bedingungen unterschieden, die du vorher kanntest?

Die Möglichkeiten, die ich bei Wiler hatte, waren wunderbar. Wir hatten zwar auch „nur“ drei Teamtrainings, das war kein großer Unterschied zu der Zeit vorher beim DHfK. Die Trainingsintensität und – Dauer war allerdings deutlich höher, die Trainingsqualität ebenso. Ein weiterer maßgeblicher Unterschied lag in den Techniktrainings, die zusätzlich angeboten wurden. Sowohl von Wiler selbst als auch von dem regionalen Leistungszentrum vor Ort werden zusätzliche Trainings angeboten, die man besuchen kann. Dadurch konnte ich insgesamt an 4 zusätzlichen Techniktrainings pro Woche teilnehmen. Da ich auch die Möglichkeit, die Zeit hatte, das zu nutzen, war der Unterschied zu vorher dadurch natürlich immens. In diesen Trainingszeiten kann dann auch an Dingen gearbeitet werden, die sonst in Teamtrainings eher auf der Strecke bleiben. Gerade auch die kognitive Leistungsfähigkeit unter Druck, Koordination und
technische Details lassen sich in solchen Trainings gezielt verbessern.

So gezielt und umfassend an sich arbeiten zu können, war wirklich eine coole Erfahrung.

 

(6) Vor deiner Auslandserfahrung in der Schweiz warst du Spieler beim DHfK. Hier hast du deine Jugendzeit verbracht und früh den Sprung ins Herrenteam geschafft. Erstmal ganz allgemein, wie sind so deine Erinnerungen an diese Zeit?

Das kommt ganz darauf an, welchen Abschnitt dieser langen Zeit man sich vor Augen führt (lächelt). Damals in der Grundschule war das natürlich alles ein wenig Larifari. In der ersten Klasse habe ich Floorball in einer Schul-AG kennengelernt, etwas später ging es dann in den Verein. Der Sport hat mir eigentlich immer viel gegeben, die Zeit mit dem Team hat mir immer Freude bereitet. Natürlich gab es mal bessere und mal schlechtere Wochen, aber im Großen und Ganzen hält einen der Spaß am Sport ja bei der Stange. Ich weiß noch, in der U11 oder so hatten wir auch Saisons, in denen wir gefühlt kein Spiel gewonnen haben. Mit der Zeit wurde das etwas besser, je älter man wurde, desto eher ging auch der eigene Gedanke in Richtung Leistung und Gewinnen – der Fokus auf das, was man selbst abliefern kann, trat eher in den Vordergrund.

Mit Juuso hatten wir damals ja auch einen ziemlich versierten Trainer, der sich bemüht hat, die jungen Spieler weiterzuentwickeln und mich dementsprechend schon früh, mit 15 Jahren bei den Herren hat mittrainieren und -spielen lassen (Juuso Laamanen war in der Saison 2017/18 Spielertrainer des Herrenteams vom SC DHfK Leipzig). Das war zweifelsohne ein sehr wichtiger Schritt, dadurch konnte ich früh schon viel gegen ältere Spieler und auch von ihnen lernen, sowohl technisch als auch taktisch. Auch mein Durchsetzungsvermögen im Zweikampf trotz meiner begrenzten Körpergröße wurde dadurch sicherlich gefördert. Die Voraussetzungen insgesamt waren einfach wirklich gut, ich denke, die Jugendarbeit beim DHfK war damals und ist auch heute noch wirklich top. Insoweit sprechen die Spieler, die sich dort in den letzten Jahren entwickelt haben, einfach für sich. Hier wurde und wird wirklich viel und gut gearbeitet.

 

(7) Ebenso wie im Herrenbereich hat dein Weg in der Nationalmannschaft wirklich früh begonnen. Mit den U19-Weltmeisterschaften in Halifax 2019 und Brno 2021 warst du sogar bei zwei Nachwuchs- WMs dabei, in letzterer bist du sogar als Kapitän aufgelaufen. Wie begann und verlief für dich der Weg in den Leistungssport bei der Nationalmannschaft?

Im Leistungssport angekommen bin ich quasi in dem Moment, als deutlich wurde, dass die U19- Nationalmannschaft nicht nur ein Begriff ist, den man so kannte, sondern als klar wurde, dass wirklich Chancen bestehen, auch dort hinzukommen und ein Teil davon zu werden. Spätestens in meinem ersten Trainingslager war für mich dann völlig klar, wenn das funktionieren soll, muss ich es behandeln, als wäre es quasi ein Job. Ohne eine leistungsorientierte Herangehensweise lässt sich das auf längere Sicht nicht umsetzen.

Ursprünglich begonnen hatte dieser Weg zur Nationalmannschaft bei der Landesauswahl. Das war die erste Gelegenheit mit Spielern anderer Vereine gegen andere Auswahlen anzutreten. Dann kam ich in die U17- Nationalmannschaft und zum Sommerlager 2018 wurde ich zur U19 hochgezogen. Da war die Halifax- Kampagne schon halb vorüber, weshalb für mich lange unklar blieb, ob ich zu dieser WM wirklich bereits würde mitfahren dürfen – das war sicherlich kein Selbstläufer. Ich hatte das Glück, mich sehr schnell gut im Team eingefunden zu haben, das hat mir geholfen.

Bei der zweiten WM war meine Rolle dann natürlich eine andere. Ich war keiner der jungen, unerfahreneren Spieler mehr, die eher Joker-Einsätze liefern, sondern zusammen mit Paul (Paul Dall, Spieler des ETV Piranhhas Hamburg, hat ebenfalls an der U19-WM in Halifax teilgenommen) der neue Kapitän. Da galt es natürlich voranzugehen und mehr Verantwortung zu übernehmen, dementsprechend hat es mich sehr gefreut, dass wir dort auch eine solide Leistung abliefern konnten.

(8) Du hast in Summe drei Jahre in der U19 Nationalmannschaft und damit einen beträchtlichen Zeitraum in einem anspruchsvollen, leistungsorientierten System verbracht. Das ist ganz sicher nicht jedermanns Sache, selbst wenn das Talent vielleicht vorhanden ist. Wie war das für dich, gerade hinsichtlich des Zeitaufwandes und der Eigenmotivation zur individuellen Arbeit?

Der Zeitaufwand ist natürlich wirklich beträchtlich. Mit dem Ligabetrieb und den Camps der Nationalmannschaft bleiben wirklich wenige floorballfreie Wochenenden. Das mit der Schule zu vereinbaren war natürlich nicht immer einfach, denn fünf, sechs, sieben Trainings pro Woche braucht es dann halt wirklich, um sich auf dem Niveau weiterzuentwickeln, gerade wenn man auch individuell noch an sich arbeiten will. Das unter einen Hut zu bringen ist natürlich eine Herausforderung, aber mir hat es trotzdem immer sehr viel gegeben. Ohne den Spaß an dem Spiel und der Arbeit hätte ich den Einsatz niemals in dieser Art bringen können.

Gerade als junger Mensch bringt einen der Sport auch wirklich voran, unterstützt die charakterliche Entwicklung. Man lernt früh, seinen Tag zu strukturieren, um ihn möglichst effizient zu nutzen und somit viel Zeit in den Sport investieren zu können, ohne die Schule, Freundschaften und die Familie nicht zu vernachlässigen. Es war insgesamt sicherlich nicht einfach, aber eine wirklich prägende Zeit, weil ich dauerhaft ein Ziel vor Augen hatte, auf das ich kontinuierlich hingearbeitet habe. Im Sport bekommt man besonders schnell Rückmeldungen, ob die Art und Weise, wie man gerade an sich arbeitet, funktioniert oder nicht – das gibt einem gerade im jüngeren Alter viel für die individuelle Entwicklung mit. Ich bin wirklich dankbar, dass ich das erleben durfte und immer noch darf, auch wenn es natürlich hin und wieder wirklich anstrengend ist.

 

(9) Nicht lange Zeit nach deiner zweiten U19-WM folgte die Einladung zur U23, beim Testspielturnier in Eerikkilä im Juli hast du auch dort das Team als Kapitän aufs Feld geführt. Was bedeutet es dir, ein Team anzuführen und auch neben dem Feld menschlich als Leader aufzutreten?

Es ist natürlich eine große Ehre, ausgewählt zu werden, das Team anzuführen und zu repräsentieren. Gerade nach der ersten U19 WM, bei der ich ja eher eine kleinere Rolle eingenommen habe, war es durchaus eine Umstellung, diese größere Rolle in der Nationalmannschaft auszuüben. Das war natürlich auch mit einem Lernprozess verbunden, ich bin nicht mit der Erwartungshaltung in die zweite U19- Kampagne gegangen, unbedingt Kapitän werden zu müssen. Bis zu dem Moment der Entscheidung habe ich auch nicht wirklich damit gerechnet, aber als ich dann ausgewählt wurde, war es natürlich eine sehr spannende Erfahrung, mit dem Team durch diese Zeit zu gehen und zu versuchen, meinen Teil dazu beizutragen.

In der U19 Nationalmannschaft wurde immer viel Wert auf sehr professionelles Verhalten gelegt, gerade auf einheitliches Auftreten und vorbildliches Benehmen. In einer solchen Struktur ein Team zu führenwar wirklich eine schöne Erfahrung. Dass es jetzt in der U23 wieder so gekommen ist und das Team sich für mich als Kapitän entschieden hat, war ebenso eine große Ehre. Es bedeutet mir viel, einem Team so viel wie möglich zu geben und gerade als Kapitän tut man das auch abseits des Feldes. Und bei Länderspielen ist es natürlich besonders schön, als Kapitän vorweg einzulaufen und die Wimpel zu übergeben, das hat schon einfach was.

 

(10)Nun steht deine zweite Berufung zur A-Nationalmannschaft unmittelbar bevor, beim Nations Cup trefft ihr auf die U23-Nationalmannschaften der Top-4 Nationen. Was sind deine Erwartungen an diese Spiele, individuell an dich und euch als Team?
Das wird sicher für mich selbst wie für das gesamte Team eine sehr prägende Erfahrung. An vier Tagen gegen die 4 besten Nachwuchs-Nationalmannschaften der Welt zu spielen, wird sowohl körperlich als auch mental eine große Herausforderung. Ich selbst freue mich sehr darauf. Es werden sicher sehr anspruchsvolle Spiele, die eine top Leistung von uns verlangen.

 

(11)Wie geht es dir vor solch großen neuen Herausforderungen – bist du aufgeregt oder überwiegt die Vorfreude?

Aufregung ist immer ein wenig dabei. Aber ich versuche, die Aufregung eher als Privileg zu sehen – ich bin privilegiert, in einer Position zu sein, dass ich diese Herausforderung überhaupt verspüren darf. Demnach versuche ich, Aufregung als etwas Positives zu sehen. Klar gibt es Situationen, in denen sie auch hinderlich sein kann, aber letztlich ist es immer etwas Schönes, in Situationen zu sein, die mich aufgeregt machen.

Generell überwiegt letztlich immer die Vorfreude. Schließlich arbeitet man lange darauf hin, in höherklassige Mannschaften zu kommen und sich weiterzuentwickeln, um eben solche Turniere dann mitspielen zu dürfen. In dem Moment, wo man nominiert wird und dann mitmachen darf, zahlt sich die viele Arbeit aus. Deshalb freue ich mich einfach drauf und schaue, was passiert. Ich werde versuchen, meine bestmögliche Leistung abzurufen und dann schauen wir mal, was dabei herauskommt.

 

(12)Okay, letzte Frage zum Abschluss: Wir sprechen ja sowohl mit dir als auch mit Ferdinand über das anstehende Turnier. Ihr beide habt in den letzten Jahren, nach der langen gemeinsamen Zeit beim DHfK, außer bei deiner zweiten U19 WM und ein paar U23-Trainingslagern nicht mehr zusammengespielt. Geht dir dazu etwas durch den Kopf, dass ihr nach den vielen Jahren jetzt wieder Seite an Seite bei solchen Spielen auf dem Feld stehen dürft?

Es ist immer schön, mit Ferdi zu spielen, ihn auf seiner Seite zu haben. In der letzten Saison hatte ich ihn ja mehrfach gegen mich auf dem Feld, die Duelle waren natürlich auch geil. Es freut mich ungemein, dass wir beide über verschiedene Stationen jeweils unseren Weg gefunden haben. Ferdinand erwartet nach dem Jahr in Weißenfels jetzt ein ganz neues Abenteuer in Finnland, da wird er garantiert großartige Erfahrungen machen. Dass das für ihn geklappt hat, freut mich wirklich.

Es ist einfach eine schöne Geschichte, dass wir zwei Grundschulkinder, die irgendwann mal mit daddeln angefangen haben, 15 Jahre später gemeinsam für die Nationalmannschaft Länderspiele bestreiten dürfen. Das ist eine große Ehre, zeigt aber meines Erachtens auch, was möglich ist, wenn man dran bleibt, an sich selbst glaubt und viel an sich arbeitet.

Ich freue mich ungemein, dass wir jetzt gemeinsam ein weiteres Abenteuer erleben dürfen.

 

Das ist doch wirklich ein schönes Schlusswort. Vielen Dank dir Leo für deine Zeit. Wir wünschen dir natürlich ganz viel Erfolg beim Nations Cup und in der anstehenden Saison.

Vielen Dank an Robert Perl vom SC DHfK Leipzig für die Einsendung des Interviews.